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Bundesarbeitsgericht schafft Klarheit zugunsten der PiA
Der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) hat in einem von der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) finanziell und rechtlich unterstützten Verfahren nun abschließend über die Frage entschieden, ob eine Tätigkeit in Vollzeitform auch vorliegt, wenn die Arbeitszeit in der Einrichtung selbst weniger als tarifliche Vollzeit von 38,5 - 40 Stunden wöchentlich beträgt, und zwar zugunsten der PiA.
Die DPtV hält die gesetzlich festgelegte Mindestvergütung von 1.000 Euro für PiA keineswegs für angemessen. Umso wichtiger ist es uns, dass die wenigen klaren gesetzlichen Regelungen, die PiA derzeit schützen, konsequent umgesetzt werden. Diese Infomail soll dazu beitragen, Ihre Ansprüche zu klären und Sie dabei unterstützen, diese erfolgreich geltend zu machen.
Nach § 27 Abs. 4 PsychThG erhalten PiA für die Dauer der praktischen Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (sog. „PT 1“) eine monatliche Vergütung in Höhe von mindestens 1 000 Euro, sofern die praktische Tätigkeit in Vollzeitform abgeleistet wird. Streitig war bisher, ob eine Tätigkeit in Vollzeitform auch vorliegt, wenn die Arbeitszeit in der Einrichtung selbst weniger als tarifliche Vollzeit von 38,5 - 40 Stunden wöchentlich beträgt. Zwangsläufig fallen in der Ausbildung auch Zeiten der Supervision, der Theorievermittlung, der Selbsterfahrung und weitere Zeiten zur Erlangung der Approbation an.
Der Kern der Argumentation lautet: Nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 PsychThG alte Fassung ist vorgesehen, dass die PT 1 für die Dauer von ,,mindestens einem Jahr" an einer psychiatrischen klinischen Einrichtung durchgeführt wird. Während der PT 1 sind mindestens 1.200 Stunden praktischer Tätigkeit zu leisten. Folglich muss jedenfalls eine innerhalb von 12 Monaten absolvierte praktische Tätigkeit von 1.200 Stunden eine Tätigkeit „in Vollzeitform“ darstellen. Anderenfalls wäre es PiA nicht möglich, den PT 1 ihrer Ausbildung in Vollzeitform zu absolvieren und den Vergütungsanspruch von 1.000 € überhaupt zu realisieren.
Die Regelung des § 27 Abs. 4 PsychThG hat eine ähnliche Qualität wie sonst Mindestlohnbestimmungen im Arbeitsrecht. Das bedeutet: Ist die vereinbarte Vergütung höher als die gesetzlich bestimmte Ausbildungsvergütung, verbleibt es bei der vereinbarten Vergütung. Liegt die vereinbarte Vergütung unterhalb der in § 27 Abs. 4 Satz 1 PsychThG bezeichneten Grenze, führt dies zu einem Anspruch der PiA auf Zahlung auch der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Vergütung und dem Anspruch auf 1.000 € monatlich bei Tätigkeit in Vollzeitform, wie sie das BAG versteht. Aktuell beschäftigte PiA können bei vergleichbaren Sachverhalten also einen höheren Vergütungsanspruch geltend machen, auch wenn sie weniger als 38,5 Stunden wöchentlich praktische Tätigkeiten in der Einrichtung leisten.
Auch ehemalige PiA können einen Differenzanspruch nachträglich geltend machen, solange er nicht verjährt ist. Zwar enthalten Ausbildungsverträge ähnlich wie Arbeitsverträge häufig sog. Verfallklauseln, nach denen ein Anspruch binnen einer bestimmten Frist ab Beendigung geltend gemacht werden muss. Solche Verfallklauseln sind im Normalfall aber allgemeine Geschäftsbedingungen, die gesetzliche Mindestansprüche vom Verfall ausklammern müssen, damit sie wirksam sind. Wenn der Mindestanspruch nach § 27 Abs. 4 PsychThG so behandelt wird wie ein Mindestlohnanspruch im Arbeitsrecht – und das tut das BAG – liegt es zumindest sehr nahe, dass sich Klinikträger auch hier nicht auf eine eventuell vereinbarte Verfallklausel berufen können. Der Anspruch kann allerdings verjähren. Hierbei gilt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Diese beginnt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB in der Regel mit dem Schluss des Jahres zu laufen, in dem der Anspruch entstanden ist (Fälligkeit). Die Verjährung ist in jedem Einzelfall zu prüfen.
Der Rechtsstreit ist das Ergebnis einer grundsätzlich viel zu niedrigen Vergütung von PiA während der praktischen Tätigkeit. Die DPtV hat bereits in den unteren Instanzen den Kläger finanziell und rechtlich unterstützt und darin bestärkt, das Verfahren höchstrichterlich entscheiden zu lassen. Auch das Verfahren vor dem BAG wurde seitens der DPtV Landesgruppe Bayern und des DPtV Bundesvorstandes mitgetragen.
Unser Ziel ist es, PiA Rechtssicherheit zu geben und sie dabei zu unterstützen, sich erfolgreich gegen unklare oder nachteilige Auslegungen zu wehren. Die Ausbildung ist nach wie vor von Grauzonen und Interpretationsspielräumen geprägt; dort, wo wir die Definition klarer Grenzen im Sinne der PiA unterstützen können, werden wir dies tun und uns dafür stark machen. Auf dem Weg in den Beruf Psychotherapeut*in setzen wir uns als DPtV dafür ein, dass sowohl in der bisherigen Ausbildung als auch in der neuen Weiterbildung faire Bedingungen und klare Rechtsgrundlagen gewährleistet sind.
Hinweis: Zu diesem Thema werden wir auch im Rahmen unserer Veranstaltungsangebote informieren. Bitte halten Sie die Augen offen – aktuelle Termine finden Sie in unserem Veranstaltungskalender.