Aktuelles
Start der KJ-KSVPsych-Richtlinie ab April 2025
Ab dem 1. April 2025 können in der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen im Rahmen der Komplexversorgung schwer psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher erbracht werden. Für die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im Juli 2024 beschlossene „Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf“ (kurz: KJ-KSVPsych-RL) wurden jetzt neue Abrechnungsziffern im EBM (Abschnitt 37.6) beschlossen.
Die neue Richtlinie soll vor allem die berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit komplexem psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsbedarf unterstützen. Diese sieht vor, dass sich mindestens ein*e Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in und ein*e Fachärzt*in für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (oder Fachärzt*innen mit mindestens 2-jähriger Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie) mit einer die Behandlung koordinierenden Person zu einem „zentralen Team“ zusammenschließen. Für jede*n Patient*in wird im zentralen Team entweder eine Psychotherapeut*in oder ein*e Ärzt*in zur Bezugsbehandler*in bestimmt. Über einen gemeinsamen Behandlungsplan und Fallkonferenzen wird dann die Behandlung der jeweiligen Patient*innen berufsgruppenübergreifend geplant und umgesetzt. Weitere an der Behandlung beteiligte Berufsgruppen (z. B. Ergotherapeut*innen, Sozialarbeiter*innen, Lehrer*innen etc.) können in einem erweiterten Team die Fallkonferenzen ergänzen.
Die Eingangssprechstunde und Differentialdiagnostische Abklärung, die Erstellung des Gesamtbehandlungsplans, die Teilnahme an Fallbesprechungen und sozialgesetzbuch-übergreifenden Hilfekonferenzen können zusätzlich zur regulären Behandlung gesondert abgerechnet werden; anteilig auch in Sitzungen mit Bezugspersonen. Manche der neuen Abrechnungsziffern sind allerdings der oder dem Bezugsbehandler*in vorbehalten. Die Finanzierung der zusätzlichen Abrechnungsziffern erfolgt zunächst extrabudgetär, da es sich um neue Leistungen handelt. Das bedeutet, dass die unten ausgewiesenen Euro-Beträge in voller Höhe ausgezahlt werden. Psychotherapeut*innen, die Patient*innen im Rahmen der Richtlinie behandeln und die zugehörigen Leistungen abrechnen wollen, müssen dies gegenüber ihrer kassenärztlichen Vereinigung erklären.
Für an der Komplexversorgung teilnehmende Patient*innen kann außerdem das psychotherapeutische Gespräch (EBM-Ziffer 23220) im Quartal 25-fach (statt wie sonst maximal 15-fach) abgerechnet werden; ab dem 16. Ansatz der Ziffer für das psychotherapeutische Gespräch erfolgt die Vergütung dann ebenfalls extrabudgetär. Weitere neue Abrechnungsziffern im Rahmen der KJ-KSVPsych-RL entnehmen Sie bitte der folgenden Übersicht:
GOP | nur Be- | Leistung | Punkte | Zeit | Wie oft | Euro |
37600 |
| Eingangssprechstunde | 236 | 15 Min. | 6x/Krankheitsfall | 29,25 |
37610 |
| Differentialdiagnost. Abklärung (wenn gleiches Quartal oder das davor Eingangssprechstunde abgerechnet wurde) | 231 | 15 Min. | 6x/Krankheitsfall | 28,63 |
37620 | x | Erstellung Gesamtbehandlungs-plan (wenn gleiches Quartal oder das davor Eingangssprechstunde abgerechnet) | 448 (mit mind. 5 TN: 627) |
| 1x/Krankheitsfall | 55,52 (77,71) |
37625 | x | Zusatzpauschale Bezugsärzt*in/-psychotherapeut*in | 450 (mit mind. 5 TN: 630) |
| 1x/Behandlungsfall | 55,77 (78,08) |
37626 |
| Zuschlag zu GOP 37625 für Leistungen i. R. d. Transition | 232 |
| 1x/Krankheitsfall (mit medizin. Begründung 2x) | 28,75 |
37630 | x | Koordination durch nicht-ärztl. Person | 577 (mit mind. 5 TN: 808) |
| 1x/Behandlungsfall | 71,51 (100,14) |
37635 | x | Aufsuchen durch nicht-ärztl. Person im häusl. Umfeld | 166 |
| 5x/Behandlungsfall | 20,57 |
37650 |
| Fallbesprechung | 128 | 10 Min. | 8x/Behandlungsfall | 15,86 |
37651 | x | Zuschlag zu 37650 bei TN nicht-ärztlicher/-psychotherapeutischer Person | 128 | 10 Min. | 8x/Behandlungsfall | 15,86 |
37655 |
| SGB-übergreifende Hilfekonferenz | 128 | 10 Min. | 8x/Behandlungsfall | 15,86 |
37656 | x | Zuschlag zu 37655 bei TN nicht-ärztlicher/-psychotherapeutischer Person | 128 | 10 Min. | 8x/Behandlungsfall | 15,86 |
Kinder und Jugendliche können in die Komplexversorgung eingeschrieben werden, wenn die folgenden drei Kriterien erfüllt sind:
- Diagnose mindestens einer psychischen Störung gemäß Achse I des Multiaxialen Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters (MAS) oder Intelligenzminderung mit Verhaltensstörung und
- mindestens ein abnormer psychosozialer Umstand gemäß Achse V des MAS und
- mindestens ernsthafte Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus (Stufe 4-8) gemäß Achse VI des MAS.
Grundsätzlich halten wir die Förderung der berufsgruppenübergreifenden Versorgung von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen für sinnvoll – diese sollte sich aus unserer Sicht nicht nur auf Patient*innen mit besonders komplexem Behandlungsbedarf beziehen, da auch bei Patient*innen, die die oben genannten Kriterien nicht erfüllen, häufig eine gemeinsame, koordinierte Behandlung erforderlich ist. Wir begrüßen, dass hinderliche Regelungen, die in der analogen Richtlinie für die Behandlung von Erwachsenen enthalten sind, in der KJ-KSVPsych-RL nicht wiederholt wurden. So sind die Anforderungen an die Zusammensetzung des zentralen Teams besser umsetzbar und der Verzicht auf eine verpflichtende ärztliche differentialdiagnostische Abklärung verhindert unnötige Doppeluntersuchungen und ist unbedingt positiv zu bewerten. Die Rolle des/der Bezugsbehandler*in ist hier nicht an einen vollen Versorgungsauftrag gebunden. Gleichwohl dürfte das Erfordernis, dass eine nicht-ärztliche Person die Behandlung koordiniert und zu diesem Zweck vorgehalten werden muss, vor zusätzliche personelle Herausforderungen stellen. Außerdem halten wir die Begrenzung des Programms im Rahmen der Richtlinie für Kinder und Jugendliche bis zum 21. Geburtstag der Patient*innen für ungünstig. Dadurch entsteht eine unnötige Abweichung von der Regelung für junge Erwachsene, dass eine mit den Mitteln der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie begonnene Behandlung auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus beendet werden kann. Dies kann insbesondere dann, wenn im zentralen Team die Psychotherapeut*innen die Bezugsbehandler*innen darstellen, eine in der Komplexbehandlung unerwünschte Diskontinuität der psychotherapeutischen Behandlung zur Folge haben.