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Approbation nach neuem Recht - Reichweite, Möglichkeiten und Grenzen
Langfassung
- Thema
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Aus-, Fort- und Weiterbildung · Berufsrecht & Basics
- Art
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Stellungnahme
- Datum
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02.09.2024
- Zielgruppe
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Kassenpraxis · Privatpraxis · Angestellte · PtW/Psychotherapeut*innen in Weiterbildung · Studierende · Weiterbildungsbefugte
1. Der Grundsatz der ungeteilten Approbation
Die Approbation nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG) vermittelt zunächst einmal nur einen Bezeichnungsschutz: Wer die Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung „Psychotherapeutin" oder „Psychotherapeut" ausüben will, bedarf der Approbation als „Psychotherapeutin" oder „Psychotherapeut" (§ 1 Abs. 1 Satz 1 PsychThG). Dass die Approbation über den Gesetzeswortlaut aber auch etwas mit der Befugnis zur Ausübung psychotherapeutischer Tätigkeit zu tun haben muss, zeigt dann aber schon § 1 Abs. 1 Satz 2 PsychThG. Denn danach ist eine „vorübergehende Ausübung des Berufs auch aufgrund einer befristeten Erlaubnis“ nach dem PsychThG zulässig. Tatsächlich ergibt sich dann aus § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz), dass die Ausübung der Heilkunde einer Erlaubnis bedarf. Die Approbation vermittelt diese Erlaubnis.
Das Heilpraktikergesetz definiert die Ausübung der Heilkunde als „jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird.“ § 1 Abs. 2 Satz 1 PsychThG spezifiziert den Heilkundebegriff für die Psychotherapie: Ausübung der Psychotherapie ist
„jede mittels wissenschaftlich geprüfter und anerkannter psychotherapeutischer Verfahren oder Methoden berufs- oder geschäftsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist.“
Die Diagnose, Heilung oder Linderung krankheitswertiger Störungen mit den psychotherapeutischen Verfahren oder Methoden ist damit eine sog. Vorbehaltsaufgabe, die von Dritten ohne entsprechende Erlaubnis oder Approbation nicht durchgeführt werden darf. Negativ davon grenzt § 1 Abs. 2 Satz 3 PsychThG ab, dass Tätigkeiten, die nur die Aufarbeitung oder Überwindung sozialer Konflikte oder sonstige Zwecke außerhalb der Heilkunde zum Gegenstand haben, nicht zur Ausübung der Psychotherapie gehören und also auch keine Vorbehaltsaufgabe darstellen, die eine Approbation oder Erlaubnis zur psychotherapeutischen Berufsausübung verlangt.
Ist die Approbation erlangt, gilt sie im Rahmen dieser Definition der Ausübung von Psychotherapie unbeschränkt. Es gilt der Grundsatz der ungeteilten Approbation (BVerwG, NJW 1998, S. 2756 zur ärztlichen Approbation). Die durch die Approbation vermittelte öffentlich-rechtliche Erlaubnis umfasst dann (i) alle wissenschaftlich geprüften und anerkannten Verfahren und Methoden und nicht nur einzelne (Richtlinien-)Verfahren; ebenso umschließt sie (ii) alle Bevölkerungsgruppen unabhängig v.a. vom Alter der Patientinnen und Patienten. Die Approbation als Psychotherapeutin oder Psychotherapeut nach neuem Recht unterscheidet auf der Ebene dieser öffentlich-rechtlichen Erlaubnis nicht zwischen der Behandlung von Erwachsenen und der von Kindern und Jugendlichen. Wer approbiert ist, darf zunächst einmal im Rahmen der psychotherapeutischen Berufsausübung alles und ist entsprechend geschützt vor dem Straftatbestand der Ausübung der Heilkunde ohne Erlaubnis nach § 5 Heilpraktikergesetz.
2. Beschränkung durch die Heilberufekammergesetze und die Gebietsbezeichnung
Eine Beschränkung dieser ungeteilten Wirkung der Approbation erfährt erst, wer eine Gebietsbezeichnung führt. Mit einer Gebietsweiterbildung werden besondere Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben, die zur Anerkennung als Fachpsychotherapeut*in im jeweiligen Gebiet führen. Die – unverbindliche - Muster-Weiterbildungsordnung der BPtK und ihr folgend die – verbindlichen – Weiterbildungsgesetze der Länder und Weiterbildungsordnungen der Psychotherapeutenkammern definieren die Gebiete zur psychotherapeutischen Patientenversorgung:
1. Gebiet der Psychotherapie für Erwachsene
2. Gebiet der Psychotherapie für Kinder und Jugendliche
3. Gebiet Neuropsychologische Psychotherapie
Diese Gebietsweiterbildungen nach den Ziffern 1 und 2 beinhalten die Qualifizierung in mindestens einem wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren, nach Ziffer 3 in Methoden und Techniken eines wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahrens. Mit der Berechtigung zur Führung einer Gebietsbezeichnung erwerben Fachpsychotherapeut*innen der ersten beiden Gebietsbezeichnungen mindestens eine Bereichs- oder Zusatzbezeichnung (der Paragrafenteil der MWBO verwendet diese Begriffe gegenwärtig synonym) eines wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahrens. Fachpsychotherapeut*innen können zusätzliche Bereichsbezeichnungen erwerben, wobei dies auch berufsbegleitend möglich ist.
Mit der nach außen erkennbaren Führung der Gebietsbezeichnung ist ein hoher Schutz des Fachgebietsstandards und damit im Hinblick darauf verbunden, dass es sich um Expert*innen auf ihrem Gebiet handelt. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten von Fachpsychotherapeut*innen auf ihrem Gebiet zu erhalten, letztlich also die Qualität der Behandlung zu sichern. Deshalb bestimmt § 4 Abs. 3 der Muster-Weiterbildungsordnung auch:
„Die Gebietsdefinition bestimmt die Grenzen für die Ausübung der fachpsychotherapeutischen Tätigkeit.“
Zugleich wird das Gebiet durch den Erwerb einer Zusatzbezeichnung etwa in einem weiteren Richtlinienverfahren weder eingeschränkt noch erweitert (§ 4 Abs. 4 Muster-Weiterbildungsordnung).
Nun ist die Muster-Weiterbildungsordnung der BPtK ist kein normativ verbindliches Recht. Die Regelung der Weiterbildung obliegt der Kompetenz der Bundesländer und in diesem durch die Heilberufekammergesetze der Länder vorgegebenen Rahmen den jeweiligen Psychotherapeutenkammern. Verbindliches Satzungsrecht wird daher erst durch einen Beschluss der satzungsgebenden Versammlung der einzelnen PtK geschaffen. So bestimmt z.B. § 31 des Heilberufekammergesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg ebenso:
„Wer eine Gebietsbezeichnung führt, darf grundsätzlich nur in dem Gebiet, wer eine Teilgebietsbezeichnung führt, muss auch in diesem Teilgebiet tätig werden.“
Nicht in jedem Bundeslang finden wir schon auf der Gesetzesebene eine solche mit der Führung der Gebietsbezeichnung verbundene Einschränkung vor – so hält sich etwa § 56 des Heilberufekammergesetzes des Landes Berlin in dieser Hinsicht zurück. Aber auch dann findet sich spätestens auf der Ebene der für die Kammermitglieder verbindlichen Weiterbildungsordnung eine entsprechende Einschränkung (so auch in § 4 der Weiterbildungsordnung der PtK Berlin). Man kann also sagen, dass bundesweit aus Gründen der Qualitätssicherung mit der Führung einer Gebietsbezeichnung eine Selbstbeschränkung auf die Gebietsgrenzen verbunden ist.
Nun gehört zur Wahrheit auch, dass die Beschränkung auf das nach außen sichtbar geführte Gebiet nicht absolut ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einem Urteil vom 1.2.2011 (Az.: 1 BvR 2383/10) mit der Verfassungsbeschwerde eines Facharztes beschäftigt, welcher wegen des Tätigwerdens außerhalb seines Fachgebietes berufsgerichtlich verurteilt worden war. Grundsätzlich gilt für Fachärzte das Verbot der Betätigung außerhalb des eigenen Fachgebiets als allgemeine Richtlinie und nicht als eine auch einzelne Ausnahmefälle ausschließende Regelung (vgl. BVerfGE 33, 125, 168). Die bis dahin von den Berufsgerichten gewählte Auslegung des Heilberufekammergesetzes, bei der der Umfang des fachfremden Tätigwerdens des Arztes nicht berücksichtigt wurde, sei zwar zur Erreichung des Zwecks, die besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharztes auf seinem Gebiet zu erhalten, geeignet. Denn ein Facharzt, der nur auf seinem Fachgebiet tätig ist, hat durch diese spezialisierte Tätigkeit in besonderem Maße die Möglichkeit, seine fachärztlichen Fähigkeiten durch ständige Übung weiter zu schulen und seine Fachkenntnisse zu aktualisieren. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sei eine solche enge Deutung der Norm aber nicht erforderlich, um den durch seine Facharztausbildung erreichten Leistungsstandard eines Facharztes dauerhaft zu gewährleisten. Denn es sei nicht nachvollziehbar, warum sich die Fähigkeiten und Kenntnisse auf dem Gebiet der fachärztlichen Tätigkeit auch durch eine fachfremde Tätigkeit, die in einem nur sehr geringen Umfang ausgeübt werde, verschlechtern sollten. Der Patientenschutz erfordere es nicht, einem bestimmten Fachgebiet zugeordnete Behandlungen nur durch Ärzte dieses Fachgebiets durchführen zu lassen. Die Qualität ärztlicher Tätigkeit werde bereits durch die Approbation nach den Vorschriften der Bundesärzteordnung sichergestellt. Zwar habe ein Arzt im Einzelfall zu prüfen, ob er aufgrund seiner Fähigkeiten in der Lage sei, seinen Patienten nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu behandeln. Vorbehaltlich dieser Prüfung sei er aber berechtigt, Patienten auf allen Gebieten, die von seiner Approbation umfasst sind, zu behandeln. Eine generelle Verpflichtung, Patienten mit Erkrankungen auf einem bestimmten Gebiet an einen für dieses Gebiet zuständigen Facharzt zu verweisen, sei damit nicht vereinbar. Dabei kam es in dem zugrundeliegenden Fall aber darauf an, dass der Umfang der fachfremden Tätigkeit des Facharztes mit 2 Prozent sämtlicher jährlich erbrachter Behandlungsmaßnahmen das für einen Verstoß gegen das Heilberufekammergesetz relevante Maß nach Auffassung des BVerfG nicht überstieg. Sofern der Anteil fachfremder Tätigkeiten unter einem Gesamtvolumen von 5 Prozent liege, bewege er sich noch im „geringfügigen Bereich“ und stelle somit keinen Verstoß gegen die Regelungen des Kammergesetzes dar.
Daraus folgt dann also für Psychotherapeut*innen: Wer eine Gebietsbezeichnung führt, ist grundsätzlich auf die Tätigkeiten ihres bzw. seines Gebietes beschränkt. Fachpsychotherapeut*innen für Erwachsene dürfen in einem untergeordneten Umfang bis zu 5 % ihres Leistungsvolumens jedoch auch außerhalb ihrer Gebietsgrenzen Kinder und Jugendliche behandeln, Fachpsychotherapeut*innen für Kinder und Jugendliche können bis zu 5 % Leistungen gegenüber Erwachsenen erbringen, ohne damit gegen die Heilberufekammergesetze oder die Weiterbildungsordnungen zu verstoßen.
An dieser Stelle mögen sich manche fragen, weshalb sie überhaupt eine Weiterbildung absolvieren sollen, wenn sie doch mit der Approbation unbeschränkt zur Berufsausübung in der Psychotherapie gegenüber allen in allen Verfahren und mit allen Methoden berechtigt sind und sich erst selbst durch die Führung einer Gebietsbezeichnungen Beschränkungen auferlegen. Aber: haftungsrechtlich gilt der sog. Facharztstandard, dies gilt nicht nur, aber insbesondere auch für die Krankenhausbehandlung, von der Patient*innen erwarten dürfen, dass sie von Expert*innen mit Gebietsbezeichnung durchgeführt werden. Die Verletzung des Facharztstandards hat entsprechend haftungsrechtliche Konsequenzen (dazu gleich). Soweit es die ambulante Tätigkeit betrifft, ist außerdem strikt zwischen der öffentlich-rechtlichen durch die Approbation vermittelten Erlaubnis zur Ausübung der Psychotherapie einerseits und der Frage der Kostenübernahme durch die GKV, die PKV, die Heilfürsorge oder die Beihilfe zu unterscheiden. Es steht rechtlich außer Frage, dass für die Kostenübernahme eine Beschränkung auf die Behandlung durch Psychotherapeut*innen mit Gebietsbezeichnung geregelt werden darf und wird (dazu unter 4.).
3. Haftungsrecht: Fachpsychotherapiestandard
In § 630a Abs. 2 BGB wird festgelegt, dass die Behandlung nach allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen hat (Facharztstandard). Die allgemein anerkannten Standards gelten natürlich auch für die psychotherapeutische Behandlung. Der Facharzt- wie auch der Fachpsychotherapiestandard bestimmt sich grundsätzlich losgelöst von der formellen Ernennung zur Fachärztin oder zum Facharzt bzw. zur Fachpsychotherapeutin oder zum Fachpsychotherapeuten. Der Begriff beschreibt vielmehr die Patient*innen gegenüber geschuldete Sorgfalt im Rahmen der Behandlung. So kann auch bei einer Behandlung durch nach neuem Recht approbierte Psychotherapeut*innen ohne Gebietsbezeichnung der Fachpsychotherapiestandard gewahrt sein, sofern eine Anleitung und Kontrolle durch Fachpsychotherapeut*innen erfolgt. Dabei muss sich der Fachpsychotherapiestandard gegenüber den Patient*innen anhand objektiver Kriterien belegen lassen (z.B. Intervisionen und Kontrollen über den erreichten Stand der Weiterbildung). Die Nichteinhaltung des Fachpsychotherapiestandards hat haftungsrechtliche Konsequenzen: das Vorliegen einer grob fehlerhaften Unterschreitung des Standards kann zu einer Umkehr der Beweislast in einem zivilrechtlichen Haftungsprozess führen. Eine solche Beweislastumkehr führt dazu, dass bei Komplikationen der Behandlung vermutet wird, dass diese auf einen unzureichenden Behandlungsstandard zurückzuführen sind. Entgegen der sonst geltenden Regeln zur Verteilung der Beweislast müssen in solchen Fällen nicht die Patient*innen beweisen, dass die Komplikation auf einem Fehlverhalten beruht, sondern es müssen die Psychotherapeut*innen belegen, dass ein*e Fachpsychotherapeut*in der einschlägigen Fachgruppe den Schaden nicht hätte vermeiden können. Damit begibt sich die Behandlerin bzw. der Behandler in die Defensive.
Daher ist Psychotherapeut*innen ohne Gebietsbezeichnung, die sich nicht in einer Weiterbildung befinden und durch die zur Weiterbildung befugte Person angeleitet werden, zu raten, vor einer Behandlung für sich genau zu überprüfen, ob der für die konkrete Behandlung notwendige Fachpsychotherapiestandard trotzdem gewahrt werden kann.
4. Zur Abrechenbarkeit von Leistungen mit und ohne Gebietsbezeichnung
4.1. Anwendung der GOP
Die Gebührenordnung für Psychotherapeut*innen (GOP) ist auf die Leistungen sowohl der Psychotherapeut*innen ohne Gebietsbezeichnung als auch der Fachpsychotherapeut*innen anwendbar. Die Anwendung der GOP ist im Verhältnis zu Privatpatient*innen zwingend.
4.2. Vertragsärztliche Tätigkeit und Kostenerstattung
Die Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen setzt eine vertragsärztliche Zulassung voraus. Eine der Voraussetzungen der vertragsärztlichen Zulassung ist die Eintragung in das Arztregister der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung. § 95c Abs. 1 regelt die Anforderungen an die Eintragung in das Arztregister für nach neuem Recht approbierte Psychotherapeut*innen. Neben der Approbation bedarf es des erfolgreichen Abschlusses einer Weiterbildung (§ 95c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V). Folglich können nur Psychotherapeut*innen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden, die entweder nach altem Recht approbiert sind und über die entsprechende Fachkunde in einem Richtlinienverfahren verfügen § 95c Abs. 2 SGB V) oder die nach neuem Recht approbiert und berechtigt sind, eine Gebietsbezeichnung nach der jeweiligen Weiterbildungsordnung zu führen.
Die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen ist im Falle eines Versagens des Sachleistungssystems möglich, wenn eine Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig (als Sachleistung durch Zugelassene) erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, 1. Var.). Durch das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung wurde 2019 § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB V ergänzt. Danach sind „die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden“, nur dann „erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.“ Daraus folgt, dass die Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen selbst im Falle des Systemversagens generell nicht möglich ist, wenn die Leistung durch nach neuem Recht approbierte Psychotherapeut*innen ohne Gebietsbezeichnung erbracht wird. Ob dies so apodiktisch gelten kann, wie das Gesetz es formuliert, ist zu bezweifeln – wenn die Leistung keinen Aufschub duldet und nicht nur keine zugelassenen Leistungserbringer*innen zur Verfügung stehen, sondern auch keine Möglichkeit besteht, Fachpsychotherapeut*innen in Anspruch zu nehmen, könnte wohl nur in ferner Zukunft und im Einzelfall eine einschränkende Auslegung des Gesetzes geboten sein; keinesfalls kann auf solch dünnem Eis eine Existenz gegründet werden. Denn in den nächsten Jahrzehnten wird es noch ausreichend nach altem Recht approbierte psychologische Psychotherapeut:innen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut:innen geben, um in aller Regel auch den Kostenerstattungsbedarf zu decken.
4.3. Erstattung durch die PKV
Die Erstattung von nach der GOP berechneten Kosten für die Behandlung von Privatpatient*innen durch die private Krankenversicherung (PKV) richtet sich zunächst einmal regelhaft nach den MB/KK. Hinter der Bezeichnung „MB/KK“ verbergen sich die Musterbedingungen der Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung des Verbandes der Privaten Krankenversicherung. In den MB/KK sind die Vertragsbedingungen für eine private Krankenversicherung festgelegt. Sie bilden in der Regel die Grundlage für eine Vertragsbeziehung zwischen dem Krankenversicherer und seinem Kunden. Erweitert und ergänzt werden sie durch die jeweiligen Tarifbedingungen. Die MB/KK stellen lediglich eine Verbandsempfehlung dar. Die einzelnen PKV-Anbieter sind in ihrer Gestaltung des Versicherungsumfangs frei und können die Verbandsempfehlung aufgreifen oder nicht. Rechtlich bindend sind immer nur die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des jeweiligen Krankenversicherers und die Tarifbedingungen. Die letzten MB/KK aus dem Jahr 2009 regeln in § 4 Abs. 2 Satz 1:
Der versicherten Person steht die Wahl unter den niedergelassenen approbierten Ärzten und Zahnärzten frei.
(Psychologische) Psychotherapeut*innen sind zwar nicht erwähnt, werden aber gleichgestellt – und immerhin lässt die Regelung erkennen, dass die Erstattungsfähigkeit allein an die Approbation und nicht an die Berechtigung zur Führung einer Gebietsbezeichnung anknüpft. Die große Mehrzahl der konkreten Tarife der Krankenversicherer schränkt die Erstattungsfähigkeit jedoch ein. Zwei Beispiele: Die Allgemeinem Versicherungsbedingungen (AVB) zum häufig gewählten Standardtarif der DKV bestimmen:
„Nr. 3a Psychotherapie
Bei ambulanter oder bei stationärer Psychotherapie wird geleistet, wenn und soweit der Versicherer vor der Behandlung eine schriftliche Zusage gegeben hat und die Therapie von einem niedergelassenen approbierten Arzt mit einer Zusatzausbildung auf dem Gebiet der Psychotherapie oder einem in eigener Praxis tätigen und im Arztregister eingetragenen nichtärztlichen Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durchgeführt wird. Nicht erstattungsfähig sind Aufwendungen für Psychotherapie durch andere Behandler.“
Noch strenger, aber mit gleichem Ergebnis formulieren die von der Allianz AG verwendeten AVB::
„Der versicherten Person steht die Wahl unter den Ärzten und Zahnärzten frei, die zur vertragsärztlichen bzw. -zahnärztlichen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind (Vertragsärzte bzw. Vertragszahnärzte). Die Mit- oder Weiterbehandlung durch einen anderen als den zuerst in Anspruch genommenen Vertragsarzt bzw. -zahnarzt ist nur zulässig aufgrund einer Überweisung mittels eines in der vertragsärztlichen bzw. -zahnärztlichen Versorgung geltenden Überweisungsscheins. Erfolgt die Inanspruchnahme des Vertragsarztes bzw. -zahnarztes aufgrund einer Überweisung gemäß Satz 2, ist vor Behandlungsbeginn der Überweisungsschein vorzulegen. Bei psychotherapeutischer Behandlung dürfen auch Psychologische Psychotherapeuten sowie in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Anspruch genommen werden, die zur vertragsärztlichen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen sind. Bei medizinisch notwendiger ambulanter Heilbehandlung kann auch ein Krankenhaus, ein Medizinisches Versorgungszentrum oder eine sonstige Einrichtung in Anspruch genommen werden, wenn die Einrichtung zur vertragsärztlichen oder -zahnärztlichen Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen ist und ihre Rechnungen nach der Gebührenordnung für Ärzte oder der Gebührenordnung für Zahnärzte erstellt.
Soweit nach neuem Recht approbierte Psychotherapeut*innen Privatpatient*innen behandeln, trifft sie deshalb eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht aus dem Behandlungsvertrag (§ 630c Abs. 3 Satz 1 BGB: „Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren.“)
4.4. Beihilfevorschriften
Die Bundesbeihilfeverordnung vom 13.2.2009 (BGBl. I S. 326) ist zuletzt durch Artikel 4a des Gesetzes vom 28. April 2020 (BGBl. I S. 960) geändert worden und konnte in ihrer aktuellen Fassung das Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung also theoretisch schon berücksichtigen. § 18a Abs. 2 Satz 2 BbhV bestimmt als Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit, dass die Leistungen von einer Ärztin, einem Arzt, einer Therapeutin oder einem Therapeuten nach den Abschnitten 2 bis 4 der Anlage 3 erbracht werden. Die entsprechenden Abschnitte behandeln die Richtlinienverfahren. Leistung in den Richtlinienverfahren kann „eine Psychologische Psychotherapeutin oder ein Psychologischer Psychotherapeut“ mit einer Approbation nach § 2 PsychThG durchführen, wenn sie oder er dafür eine vertiefte Ausbildung erfahren hat. Der Wortlaut lässt sehr klar erkennen, dass eine Anpassung an die neue Welt des PsychThG 2019 noch nicht erfolgt ist, denn es geht um eine Vertiefung in einem Verfahren in der „Ausbildung“ und eben nicht in der Weiterbildung; außerdem sind die Berufsbezeichnungen, die die Anlage 3 verwendet, die alten. Es bleibt abzuwarten, wie eine zu erwartende Anpassung an das PsychThG 2019 dann ausfällt.
Die Beihilfevorschriften der Länder berücksichtigen überwiegend schon das neue Recht. Beispielhaft sei die Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen des Landes Nordrhein-Westfalen (BVO NRW) erwähnt. Dort regelt die Anlage 1 die notwendige Qualifikation für die Beihilfefähigkeit psychotherapeutischer Leistungen (ebenfalls getrennt nach Richtlinienverfahren). So bestimmt sie z.B.:
„Leistungen der anerkannten Psychotherapieform tiefenpsychologisch fundierte oder analytische Psychotherapie dürfen bei Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nur von folgenden Personen erbracht werden:
a) Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen in diesem Verfahren,
b) Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychologischen Psychotherapeuten mit einer vertieften Ausbildung in diesem Verfahren und einer Zusatzqualifikation für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen, die die Anforderungen des § 6 Absatz 4 der Psychotherapievereinbarung erfüllt, sowie
c) Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit einer vertieften Ausbildung in diesem Verfahren. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten mit einer vertieften Ausbildung in diesem Verfahren.“
Die nach neuem Recht approbierten Psychotherapeut*innen fallen in den Anwendungsbereich des Buchstaben a). Unabhängig von der Frage, ob die Formulierung „mit einer Weiterbildung…in diesem Verfahren“ sinnhaft ist, weil die Berechtigung zur Führung der Gebietsbezeichnung einer Fachpsychotherapeutin für Kinder und Jugendliche erst einmal die Möglichkeit umfasst, in allen Richtlinienverfahren tätig zu werden, wird deutlich, dass es ohne Gebietsbezeichnung auch keine Beihilfefähigkeit geben wird.
Von Ausnahmen und Selbstzahlern abgesehen, wird man also damit rechnen müssen, dass gesetzliche Kostenträger keine Kosten der Psychotherapie durch nach neuem Recht approbierte Psychotherapeut*innen ohne abgeschlossene Weiterbildung übernehmen.