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Aufstand gegen Reform der Psychotherapeuten-Ausbildung – Fakten und Mythen
Im Vorfeld des Deutschen Ärztetages, der am 8. Mai in Erfurt eröffnet wird, laufen sich derzeit einige ärztliche Verbände warm mit heftigen Vorwürfen gegen die Neuordnung der psychotherapeutischen Ausbildung. Im Juli letzten Jahres hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Dieser sieht einen eigenen Studiengang Psychotherapie mit anschließender Weiterbildung vor, in etwa vergleichbar dem ärztlichen Ausbildungsgang. Wie aus der Sicht der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) mit aktuell rund 13.000 Mitgliedern diese Kampfansage beurteilt wird, klären wir mit der DPtV-Bundesvorsitzenden Barbara Lubisch im Gespräch.
Frage: Frau Lubisch, mit deutlichen, ja z.T. drastischen Anmerkungen wird derzeit an dem Reformentwurf Kritik geübt. Wie realistisch sind die bemängelten Punkte?
Lubisch: Die Befürchtungen, z.B. die „psychische Betreuung von Patienten vom Arztberuf abzukoppeln“, entbehren jeglicher Grundlage. Die ganzheitliche Versorgung der Patienten, insbesondere der somatisch erkrankten Patienten, bleibt ärztliche Aufgabe und Verantwortung. Psychologische Psychotherapeuten bleiben zuständig für eine psychotherapeutische Behandlung oder Mitbehandlung, wie jetzt auch.
Frage: Es wird behauptet, ärztliche Aufgaben sollen substituiert werden, also der Arzt quasi abgeschafft werden. Stimmt das?
Lubisch: Nein, das stimmt nicht. Die Psychodiagnostik und die Indikationsstellung für Psychotherapie liegt auch jetzt schon beim psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten. Daran ändert sich nichts. Ärzten wird nichts weggenommen. Es geht bei der Reform lediglich darum, die Struktur der Aus- und Weiterbildung zur ordnen und zu verbessern. Ziel ist die Klarheit der Zugangsvoraussetzungen, bundeseinheitlich gleiche Studienanforderungen und die Aufhebung des Praktikantenstatus der Psychotherapeut/innen in Ausbildung.
Frage: Wie sieht es heute aus, wenn ein Patient zum Psychologischen Psychotherapeuten geht. Wird eine somatische Untersuchung in jedem Fall vorgenommen? Wie soll es in Zukunft sein?
Lubisch: Eine medizinisch-somatische Untersuchung (Konsiliarbericht) vor Beginn einer Psychotherapie ist verpflichtend. Ein ausführlicher körperlicher Befund ist wichtig für die psychotherapeutische Behandlungsplanung. Auch die Berufsordnung der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gebietet die Berücksichtigung somatischer Befunde. Das Konsiliarverfahren ist leider von beiden Seiten oft nicht so gut, wie wir uns das wünschen. Hier sehen wir die Möglichkeit und Notwendigkeit der Verbesserung der gegenseitigen Information und Kommunikation. Darüber würden wir gerne mit Ärzten ins Gespräch kommen.
Frage: Es gibt seitens der Ärzte Behauptungen, die Sicherheit der Patienten stünde auf dem Spiel, sollten die Reformvorschläge umgesetzt werden. Real oder nur Angst vor Aufgabenverlust?
Lubisch: Das scheint mir eher eine Schutzbehauptung zu sein, die Stimmung gegen die Reform erzeugen soll. Psychologische Psychotherapeuten sollen zukünftig besser aus- und weitergebildet sein als heute. Die Zusammenarbeit mit Ärzten zu stärken ist das erklärte Ziel. Worin genau soll denn die Gefahr für die Patientensicherheit bestehen?
Frage: Im BMG-Entwurf ist auch ein Modell enthalten, das zukünftige Verschreibung von Arzneimitteln ausprobieren möchte. Wie stehen Sie dazu, wie ist die Haltung der DPtV?
Lubisch: Die DPtV hat den vom BMG eingebrachten Modellstudiengang zur Psychopharmakotherapie konsequent abgelehnt und tut dies auch weiterhin. Wir wollen stattdessen auf eine Verbesserung der Kooperation mit Ärzten hinarbeiten, gerade in den Fällen, in denen Patienten Psychopharmaka und Psychotherapie brauchen. Auch der Deutsche Psychotherapeutentag -das Pendant zum Deutschen Ärztetag - hat sich deutlich gegen den Modellstudiengang ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass dieser Vorschlag in einem Referentenentwurf nicht mehr enthalten ist.
Frau Lubisch, herzlichen Dank für das Gespräch.