Herausforderung Gruppenpsychotherapie
„Die Gruppenpsychotherapie hat viele Vorteile und ihre Wirkung ist wissenschaftlich belegt. Als Alternative oder Ergänzung zu Einzeltherapien sollte sie häufiger berücksichtigt werden“, fordert Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) im Rahmen des Online-Symposiums „Herausforderung Gruppenpsychotherapie“. „In der Gruppe werden nicht bloß mehrere Einzeltherapien zusammengefasst – sie ist ein spezifisches Behandlungskonzept. Sie kann die Einzeltherapie zwar nicht ersetzen, aber deutlich erweitern und bereichern“ Die Corona-Pandemie und ihre Abstandsregeln stelle die Gruppenpsychotherapie derzeit jedoch vor große Probleme. „Eine Umsetzung per Videokonferenz ist derzeit nicht als Kassenleistung möglich, weil kein ausreichender Datenschutz möglich ist. Bei der aufgrund der Corona-Ausnahmeregelung möglichen Umwandlung in Einzeltherapien stoßen die Praxen an ihre Kapazitätsgrenzen.“
„Gruppenpsychotherapie ermöglicht eine soziale Dynamik, die dem ,echten Leben‘ nahe kommt“, sagt Hentschel. „In Rollenspielen etwa können Probleme und Lösungsansätze schnell deutlich werden. Für soziale Phobien oder depressive Erkrankungen ist die Gruppenpsychotherapie sehr geeignet, für die Trauma-Bewältigung nur bedingt.“ Auch als Ergänzung einer Einzeltherapie könne die Gruppe helfen – etwa, um Verhaltensweisen „live“ und in einem geschützten Bereich auszuprobieren und von den Erfahrungen anderer zu profitieren. „Gruppenpsychotherapien erfordern mehr Vor- und Nachbereitung, aber ihr Einsatz ist oft sehr sinnvoll.“
„Corona-bedingt mussten wir unser Symposium kurzfristig online stattfinden lassen – mit über 500 Teilnehmer*innen war die Resonanz aber sehr positiv“, berichtet Hentschel. Auf der Basis von Wirksamkeitsstudien stellte Martin Pröstler (Stv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Gruppenanalyse und Gruppenpsychotherapie) die Vielfalt der Gruppenpsychotherapie in Theorie und Praxis vor. Sabine Maur (Präsidentin der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz) präsentierte die Vorteile der Gruppenpsychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. Der Vortrag von Dr. Rüdiger Retzlaff (Leiter der Ambulanz für Familientherapie an der Universitätsklinik Heidelberg) stellte die Systemische Multifamilientherapie in den Mittelpunkt, an der mehrere Familien mit ähnlichen Beschwerden teilnehmen.
Diskussion: Chancen und Hürden der Gruppenpsychotherapie in der ambulanten Versorgung
Abgerundet wurde das Symposium mit einer Online-Podiumsdiskussion: MdB Maria Klein-Schmeink (Gesundheitspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen), MdB Dr. Wieland Schinnenburg (Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik, Verantwortlicher für Psychotherapie der FDP-Fraktion), Dr. Julian Dilling (Referat Bedarfsplanung, Psychotherapie und Neue Versorgungsformen im GKV-Spitzenverband), Sabine Maur und Gebhard Hentschel stellten sich den Fragen von Moderatorin Sabine Rieser. Dr. Dilling berichtete dabei, dass die Frage einer zweiten Psychotherapeut*in in der Gruppenpsychotherapie auf GKV-Seite diskutiert werde. Frau Klein-Schmeink sah eine Chance, die durch Corona erlernte Flexibilisierung in Zukunft beizubehalten.