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  • Veröffentlichungsdatum 06.04.2011
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Deutsche PsychotherapeutenVereinigung fordert: Bessere Bedingungen für Psychotherapie statt immer mehr Psychopharmaka

Pressemitteilung 04/2011

Der Trend zur Verschreibung von immer mehr Psychopharmaka hält an, wie jüngst die Veröffentlichung der AOK Rheinland/Hamburg wieder zeigte. Besonders stark wächst danach der Anteil der Verschreibungen von Antidepressiva. Allein von 2009 auf 2010 habe die Zahl der antidepressiv behandelten Patienten um 21,4 Prozent zugenommen, die Verordnungsmenge um 12,8 Prozent. „Was die AOK festellt, ist nicht neu. Es ist ein Trend, der zwar immer wieder bedauert wird, auf den die Gesundheitspolitik aber bisher nicht reagiert hat. Dabei handelt es sich eindeutig um eine Fehlversorgung, die den Betroffenen schadet, denn in vielen Fällen sind Psychopharmaka-Verordnungen überflüssig“, urteilte der Psychotherapeut Dipl.-Psych Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) jetzt in Berlin.
 
Die Ausgaben der AOK Rheinland/Hamburg haben mit 101,5 Mio. Euro erstmals die 100-Millionen-Grenze überschritten. Damit haben sich die Ausgaben für diese Arzneimittel nach den Angaben der AOK in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Besonders bemerkenswert sei die Zunahme der Verschreibung von Antidepressiva bei älteren Menschen. Die Kasse fordert, dass Psychopharmaka sorgsamer und in geringerer Menge verordnet werden sollten.
 
„Zunächst muss der Arzt feststellen, ob ein Patient überhaupt eine behandlungsbedürftige psychische Störung hat. Dafür ist eine sorgfältige Diagnostik notwendig, die jedoch Zeit und spezielle Kenntnisse benötigt. Ärzte haben aber oft zu wenig Zeit, sich auf ein längeres Gespräch mit dem Patienten einzulassen“, sagte Best. Wenn sich der Verdacht auf eine psychische Krankheit erhärte, sei die Behandlung der ersten Wahl eine Psychotherapie und nicht ein Medikament. „Die modernen Leitlinien der Fachgesellschaften geben der Psychotherapie bei allen psychischen Krankheiten den Vorzug, bei mittelschweren und schweren Depressionen ist oft eine Kombi-nationsbehandlung mit einem Antidepressivum sinnvoll“, erinnerte Best an die Standards der Fachgesellschaften. Und auch ältere und alte Menschen seien gut mit Psychotherapie zu behandeln.
 
Der zu eilige Griff nach einem Rezept vermittele dem Patienten, dass es eine schnelle und leichte Lösung seines Problems gäbe. Dies sei allerdings oft nur eine Scheinlösung, die auf Dauer nicht helfe und die Selbsthilfemöglichkeiten des Patienten – im Gegensatz zu einer Psychotherapie - eher schwäche statt fördere, betonte der Experte.
 
Angesichts der von der AOK festgestellten Fehlversorgung hält es die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung für unverständlich, wieso die Psychotherapie nicht gestärkt wird. Nach wie vor würden die Behandlungsmöglichkeiten der Psychotherapeuten durch eine Vielzahl von Regelungen eingeschränkt und verkompliziert. „Während die Krankenkassen jedes Jahr mehr Geld für Psychopharmaka ausgeben als für Psychotherapie, läßt die Politik nicht erkennen, dass etwas zum Ausbau der psychotherapeutischen Versorgung unternommen wird. Die bisherigen Pläne zum Versorgungsgesetz jedenfalls enthalten keine Vorschläge zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung“, bedauerte Best.