Aktuelles

  • Veröffentlichungsdatum 24.09.2015
  • Ort
  • Art Pressemitteilung

Erweiterter Bewertungsausschuss beschließt höhere Psychotherapiehonorare und unterläuft dabei die BSG-Rechtsprechung

Gemeinsame Pressemitteilung - Psychotherapeutenverbände zum Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 22. September zur Vergütung der Psychotherapie

Berlin, 24.9.2015. Nach mehr als zwei Jahren Beratung und vielen Protestaktionen der Psychotherapeuten hat der Erweiterte Bewertungsausschuss am 22. September 2015 den längst fälligen Beschluss zur Anpassung der Bewertung der genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen gefasst. Im Ergebnis sind die Psychotherapiehonorare seit 2012 anzuheben und entsprechende Nachvergütungen auszuzahlen, gleichzeitig erhöht sich das Honorar für die Zukunft.

Die Vergütung jeder genehmigungspflichtigen Leistung steigt um 2,7 Prozent. Außerdem gibt es ab einer bestimmten Mindestauslastung der Praxis einen Zuschlag, mit dem die Finanzierung von Praxispersonal unterstützt werden soll. Dies wirkt sich so aus, dass auf mehr als die Hälfte der Leistungen kein Zuschlag bezahlt wird.  

Weil im Durchschnitt nur jeder zweite Psychotherapeut Widerspruch gegen seine Honorarbescheide eingelegt hatte, reduziert sich die prognostizierte Gesamtsumme an Nachzahlungsbeträgen von 80 Millionen Euro auf ca. 40 Millionen Euro pro Jahr.

Die Verbandsvorsitzenden der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), Dipl.-Psych. Barbara Lubisch, des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp), Dr. med. Martin Kremser und der Vereinigung analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (VAKJP), Uwe Keller äußern sich kritisch:

Der Beschluss interpretiert die über Jahre gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) neu, und zwar zu Lasten der Psychotherapeuten. Laut BSG hat die Mindestvergütung nicht nur für einen Teil, sondern einheitlich für alle genehmigungspflichtigen Leistungen zu gelten. Nach diesem Beschluss betrifft die rechtlich gebotene Erhöhung der Mindestvergütung den überwiegenden Teil der Leistungen überhaupt nicht.“

Angesichts der gemeinsamen Interessenslage im Erweiterten Bewertungsausschuss, die Honorarerhöhungen in engen Grenzen zu halten, sei das Ergebnis nicht überraschend. Besonders die Krankenkassen hatten sich mit der Behauptung hervorgetan, ein Anpassungsbedarf sei nicht gegeben. Nur mit allen Kräften und mit der Unterstützung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sei es überhaupt gelungen, die Entscheidung in den Erweiterten Bewertungsausschuss zu verlagern und eine Honorarerhöhung zu erwirken.

Allerdings ist das Ergebnis nach Ansicht der Verbände ein Deal zu Lasten der Psychotherapeuten: „Weil die Selbstverwaltung nicht in der Lage ist, Honorargerechtigkeit nach geltendem Recht herbeizuführen, fordern wir von der Politik klarere gesetzliche Vorgaben zur Gewährleistung angemessener Psychotherapiehonorare und eine Festlegung von Fristen, zu denen der Bewertungsausschuss tätig werden muss. Die jahrelangen Verzögerungen und die ständige Rechtsunsicherheit sind nicht mehr länger hinnehmbar.“

Die Psychotherapeutenverbände bemängeln außerdem die Auswirkungen der Verknüpfung des neuen Zuschlags mit einer Mindestauslastung. So werde die niedrigschwellige Versorgung von Patienten mit nichtgenehmigungspflichtigen Gesprächsleistungen geradezu bestraft. Praxen der Psychotherapeuten, der psychosomatischen Fachärzte und der Psychiater, die noch andere Versorgungsaufgaben als reine Richtlinienpsychotherapie wahrnehmen, gehen ebenso weitgehend leer aus wie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die einen vergleichsweise hohen Koordinations- und Abklärungsaufwand haben. Die Zuschlagskonstruktion stehe auch im Gegensatz zur Forderung der Politik nach Einführung von niedrigschwelligen Sprechstunden und frühzeitiger Diagnostik, betonen die Verbände.