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  • Veröffentlichungsdatum 06.10.2023
  • Ort Berlin
  • Art Pressemitteilung

„Es darf kein Zufall sein, ob Klinik Psychotherapie anbietet oder nicht“

DPtV sieht Vorschläge der Regierungskommission zur Klinikreform kritisch

„Nach Richtlinie erhalten Klinik-Patient*innen in der Regelbehandlung weniger Psychotherapie als ambulante Patient*innen. Dieser Missstand muss beseitigt werden. Die Empfehlung der Regierungskommission zur Reform der Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie ändert daran leider nichts“, kritisiert Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV). Am Freitag hatte die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung ihre achte Stellungnahme vorgestellt. „Es fehlen außerdem Vorschläge, wie der gesetzliche Auftrag umgesetzt werden kann, die Psychotherapie gemäß ihrer Bedeutung in der Versorgung auch in der Personalbemessung in der Psychiatrie und Psychosomatik abzubilden“, sagt auch die Stellvertretende DPtV-Bundesvorsitzende Dr. Christina Jochim. Positiv sehe sie innovative Tagesklinik-Konzepte, um die häufig langen vollstationären Liegedauern zu verkürzen.

Behandler*innen-Kontinuität schwierig

Kritisch sieht Hentschel den Ausbau von Institutsambulanzen: „Dort kann meist keine Behandler*innen-Kontinuität gewährleistet werden. Im Klinikalltag werden Kolleg*innen aus den Ambulanzen oft auf Station abgezogen oder sind durch Nachtdienste nicht im Tagdienst verfügbar. Die persönliche therapeutische Beziehung ist aber in der Psychotherapie ein zentraler Wirkfaktor und kann nicht vertreten werden.“ Klinik-Patient*innen sollten die gleiche hohe Qualität der psychotherapeutischen Behandlung erhalten wie im ambulanten vertragspsychotherapeutischen System.

Widerspruch zu „ambulant vor stationär“

„Die Kommission widerspricht dem Prinzip ,ambulant vor stationär‘“, kritisiert Hentschel. Zwar spreche der Regierungsentwurf von sektorübergreifender Versorgung, klammere aber den ambulanten Sektor der vertragspsychotherapeutischen Versorgung vollständig aus. „Die psychiatrischen und psychosomatischen Institutsambulanzen binden die Patient*innen an den stationären Sektor. Eine Überleitung in die wohnortnahe Versorgung durch niedergelassene Psychotherapeut*innen ist nicht vorgesehen. Sektorübergreifende Versorgung kann gelingen, wenn der Übergang von stationär zu ambulant besser gestaltet wird. Zum Beispiel könnten die psychotherapeutischen Sprechstunden parallel zum stationären Aufenthalt als Teil des Entlassmanagements ermöglicht werden“, schlägt der DPtV-Bundesvorsitzende vor. „Das Vorhaben einer Ambulantisierung unter Ausschluss des ambulanten Sektors hat keine Aussicht auf Erfolg.“

Psychotherapie bei Modellprojekten in den Fokus rücken

„Die stationäre Behandlung braucht innovative Konzepte. Wir begrüßen, dass Modellprojekte gefördert werden sollen. Diese müssen aber eng mit dem ambulanten Sektor verzahnt werden“, fordert Hentschel. Eine leitliniengerechte Versorgung beinhaltet bei vielen hier in Frage kommenden Indikationen eine medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung. „Deshalb ist es zentral, dass beim geplanten Ausbau von Modellprojekten nach Paragraf 64b Psychotherapie dezidiert benannt und kalkuliert wird. Dies war bisher kaum der Fall. Es darf nicht Zufall sein, ob eine Klinik Psychotherapie anbietet oder nicht“, appelliert die Stv. Bundesvorsitzende Jochim.