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  • Veröffentlichungsdatum 13.01.2021
  • Ort Berlin
  • Art Pressemitteilung

Familien im Corona-Stresstest: zwischen Spielen und Struktur

DPtV-Empfehlungen für Familien in der Pandemie

Mit dem aktuellen Lockdown aufgrund der Corona-Pandemie sind Familien wieder großen Herausforderungen ausgesetzt. Kindertageseinrichtungen und Schulen sind weitgehend geschlossen, viele Eltern sind im Home-Office. Der gewohnte Alltag existiert kaum noch – das Leben findet überwiegend zu Hause statt. Wie wirkt sich das auf unsere Kinder aus? Was brauchen Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, um die Krise gut zu überstehen? Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) hat zehn Empfehlungen zusammengestellt, um Familien in dieser Zeit zu unterstützen:

  1. Stärken Sie sich selbst. Man kann als Eltern in der Pandemie an seine Belastungsgrenze kommen. Geht es Mama und Papa nicht gut, spüren Kinder das sofort. Werden Sie sich klar über Ihre eigene Befindlichkeit in der Krise: Was löst die Pandemie in mir aus? Wie gehe ich damit um? Entstehen Ängste bei mir? Je klarer sie Ihre eigenen Gedanken und Gefühle kennen, desto besser ist es für Ihre Kinder. Achten Sie darauf, dass ihre Batterie nicht leer wird. Was tut Ihnen gut? Spaziergänge, Musik, Sport, Lesen, Backen, … Suchen Sie sich bei Bedarf professionelle Hilfe.
     
  2. Sprechen Sie mit Ihrem Kind über Corona. Einem Grundschulkind kann man z. B. erklären, was ein Virus ist, wie die Ansteckungswege sind und dass man sich aktiv davor schützen kann. Dramatisieren Sie die Situation nicht und vermeiden Sie allzu großen Nachrichtenkonsum. Kombinieren Sie das 20-Sekunden-Händewaschen mit einem Witz oder dem Aufzählen, was ihr Kind schon alles toll kann oder was es an sich mag.
     
  3. Eine feste Tagesstruktur etablieren. Vereinbaren Sie von Montag bis Freitag eine gleichbleibende Aufwach- und Schlafenszeit für Ihr Kind. Teilen Sie den Tag in eine Lernzeit, Spaßzeit, Medienzeit, Spielzeit und Bewegung an der frischen Luft. Wochenende ist Wochenende und sollte etwas Besonderes bleiben (z. B. „Schlafanzugtag“). Vielleicht haben Sie ja Lust, Ihren „Pandemie-Plan“ mit Ihren Kindern zu erstellen, zu verzieren und sichtbar aufzuhängen. Ein konkreter Plan kann entlasten.
     
  4. An einem Strang ziehen, Schimpfen vermindern. Reflektieren Sie als Eltern darüber, welche Erziehungsziele Ihnen während der Pandemie wichtig sind. Was kann Ihr Kind in dieser Notlage lernen? Welche Prioritäten setzen Sie? Welche Werte wollen sie vermitteln? Eine gute Kindheit heißt nicht ein Leben ohne Entbehrungen. Versuchen Sie, positive Aspekte der Krise zu finden. Teilen Sie sich die Erziehungsarbeit und übergeben Sie an den/die Partner*in, wenn Sie merken, dass Sie an Ihre Grenzen kommen. Vermindern Sie das Schimpfen. Kinder profitieren von positivem Zuspruch, Lob und Anerkennung. Natürlich dürfen Kinder niemals geschlagen werden. Falls Sie einen Impuls spüren, Ihrem Kind körperlich weh zu tun, verlassen Sie unmittelbar den Raum und zählen langsam von 1 bis 10. Holen Sie sich professionelle Hilfe, falls Sie öfter diesen Impuls spüren.
     
  5. Homeschooling gestalten. Die Atmosphäre zu Hause ist jetzt wichtiger als die momentane Schulleistung. Untersuchungen zeigen, das Schulwissen gut aufgeholt werden kann. Entscheidend sind jetzt die stabilen Beziehungsangebote in den Familien für die Kinder. Schaffen Sie Ihren Kindern einen ruhigen, reizarmen Lernplatz. Gestalten Sie die Lerneinheiten rhythmisierend mit ausreichend Pausen. Ein Grundschulkind kann sich in der Regel etwa 20 Minuten konzentrieren. Planen Sie viele Pausen ein.
     
  6. Soziales Miteinander fördern – ohne körperlichen Kontakt. Freunde und Großeltern sind für Kinder je nach Alter wichtige Bezugspersonen. Überlegen Sie sich, welche Möglichkeiten es gibt, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten: Messenger, Videokonferenz, Telefonieren, lustige Briefe schreiben, Päckchen verschicken …
     
  7. Sprechen sie über Gefühle. In dieser Krise wird Ihr Kind mit „negativen“ Gefühlen wie Angst, Traurigkeit, Wut konfrontiert. Sprechen Sie darüber mit ihrem Kind. Vielleicht haben sie ja Lust einmal Gefühle nachzuspielen oder gemeinsam aufzumalen.
     
  8. Streit schlichten. Geschwister können gemeinsam spielen, besitzen aber oft noch nicht die Möglichkeiten, mit Konflikten umzugehen. Für Eltern ist es oft schwer, zu entscheiden, wann und wie sie eingreifen sollen. Um eine soziale Kompetenz zu erlangen, ist es wichtig, dass beim Streit unter Kindern nicht in „Böse und Gut“ polarisiert wird. Bleiben Sie in der Streitsituation ruhig. Trösten Sie, ohne Partei zu ergreifen. Lassen Sie Ihre Kinder den Streit später noch einmal erklären und suchen Sie gemeinsam nach Lösungen („Wo könnte ein geschützter Platz für Dich sein, damit Deine kleine Schwester Dich nicht stört? Gibt es Dinge, die Ihr zusammen gerne spielt?“).
     
  9. Nähe und Distanz achten. Wo (wie jetzt) viel Nähe stattfindet, muss auch Distanz gelebt werden. Auch Ihr Kind braucht individuelle Räume. Überlegen Sie, wie jeder mal für sich sein kann und womit Kinder sich alleine beschäftigen wollen. Auch aus Langeweile entstehen oft gute Ideen.
     
  10. Perspektiven aufbauen. Die Corona-Pandemie wird irgendwann ein Ende haben. Gestalten Sie Pläne. Wo und wie soll der nächste Urlaub stattfinden? Welche Feste möchten Sie feiern? Welche Gruppen wollen Sie besuchen? Gestalten Sie eine optimistische Zukunftsvision für Ihre Kinder und Ihre Familie.


Eva Frank, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Mitglied DPtV-AG Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie (KJP)

Mitglied im DPtV-Landesvorstand Brandenburg