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  • Veröffentlichungsdatum 11.01.2012
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Kostenerstattung kann Versorgungsmängel lindern

Pressemitteilung 01/12

Die Versorgung psychisch kranker Menschen wird sich durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG), das seit dem 1. Januar in Kraft getreten ist, nicht verbessern. Vielmehr ist absehbar, dass sich die Unterversorgung verstärken wird und sich die Wartezeiten auf einen Therapieplatz verlängern werden. Dipl.-Psych. Dieter Best, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), kritisierte dies heute in Berlin mit scharfen Worten: „Wir haben den Gesetzgeber im vergangenen Jahr immer wieder darauf hingewiesen, dass die Systematik der Bedarfsplanung völlig ungenügend ist, dass die Finanzierung des wachsenden Bedarfes durch extrabudgetäre Vergütung reguliert werden muss und die sozialrechtlichen Befugnisse der Psychotherapeuten zu Gunsten der Patientenversorgung erweitert werden müssen“.

Nichts davon wurde umgesetzt. Was aus dem Versprechen der CDU/CSU Bundestagsfraktion werde, sich in diesem Jahr um eine verbesserte psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung zu kümmern, sei völlig offen.

Um die Patienten trotzdem versorgen zu können, bleibe als ein Weg die Beantragung der Kostenerstattung, verdeutlichte Best. „Da die Lage für Menschen, die einen Therapieplatz suchen, prekär ist und die Sicherstellung in manchen Regionen schon jetzt nicht mehr gewährleistet ist, sieht die DPtV in der offensiven Förderung der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch V (SGB V) einen Weg der Versorgungsmisere zu begegnen. Nach dieser Vorschrift kann sich ein gesetzlich Versicherter eine notwendige und unaufschiebbare Leistung selbst beschaffen und mit seiner Krankenkasse abrechnen, wenn diese Leistung auf anderem Weg nicht beschafft werden kann, d.h. wenn ein Systemversagen vorliegt“ erklärte Best.

„Im Grunde ist die Situation - wenn auch nicht im Ausmaß, so doch von der Art her - vergleichbar mit der vor dem Psychotherapeutengesetz, als die Kostenerstattung immer größere Ausmaße annahm. Heute sind es erst 30 Millionen Euro, die direkt von den Krankenkassen an den Kassenärztlichen Vereinigungen vorbei auf diese Weise bezahlt werden. Die jährlichen Steigerungsraten betragen aber 20 bis 25 Prozent“, prognostizierte Best. 

Dipl.-Psych. Gebhard Hentschel, stellv. Bundesvorsitzender der DPtV, bemängelte, dass das GKV-VStG keine verbindlichen Vorgaben für eine neu gestaltete Bedarfsplanung macht. „Stattdessen hat der Gesetzgeber mit Verabschiedung des GKV-VStG die Verantwortung für eine flächendeckende ambulante psychotherapeutische Versorgung, die Neufestlegung der Planungsbereiche, die Neuberechnung der Verhältniszahlen sowie die zeitnahe Patientenversorgung (Abbau von Wartezeiten) in die Verantwortung der Selbstverwaltung gelegt“, sagte Hentschel. 

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) plant, auch weiterhin als Grundlage der Bedarfsplanung, das Jahr 1999 zu nehmen, verdeutlichte Hentschel die kritische Lage.

Er forderte den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) auf, Regularien zu entwickeln, die dem immer weiter ansteigenden Bedarf an Therapieplätzen gerecht werden. Die dringende Notwendigkeit stellte Hentschel am Beispiel Nordrhein-Westfalen vor: Nach einer Analyse des Landesinstituts für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (LIGA NRW) vom August 2011 stieg die Anzahl der Behandlungsfälle in der ambulanten Psychotherapie in NRW von knapp 630.000 im Jahre 2002 auf rund 900.000 im Jahre 2009. Dies entspricht einem jährlichen Zuwachs von 4,8 Prozent. Die Zahl der niedergelassenen Psychotherapeuten nahm im gleichen Zeitraum dagegen nur geringfügig um jährlich 0,63 Prozent zu. „Diese Diskrepanz ist das Ergebnis einer restriktiven Zulassungspolitik der zurückliegenden Jahre“, betonte der Psychotherapeut.

„Umfassend ausgebildete, approbierte Psychotherapeuten, die noch keine KV-Zulassung haben, stehen zur Verfügung“ verdeutlichte der Bundesvorsitzende Best. „Derzeit erwerben jährlich etwa 1.700 Psychotherapeuten ihre Approbation. Viele der neu approbierten Psychotherapeuten, die keinen Kassensitz bekommen, leisten im Rahmen der Kostenerstattung ihren Beitrag zur Versorgung“. 

Dipl.-Psych. Eva Martin, Psychotherapeutin ohne Kassensitz in Brandenburg, betonte, wie wichtig es für die betroffenen Patienten ist, den Weg zu einem Therapieplatz über das Kostenerstattungs-verfahren, zu kennen. „Besonders für Patienten, die durch ihre Erkrankung, wie beispielsweise eine Depression antriebslos und inaktiv sind, ist der Weg zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen beschwerlich. Oft wissen die Krankenkassenmitarbeiter selber nicht, dass der Weg offen steht. Nicht selten werden unzumutbare Nachweise verlangt, die zusätzlich belasten. Aber die Patienten haben ein Recht darauf, wenn keine  freien Therapieplätze zur Verfügung stehen“, bekräftigte Eva Martin. Sie bemängelte, dass es bisher für die Beantragung noch keine standardisierten Vorgaben gebe, und diese mühsam vom Psychotherapeuten selber erarbeitet werden müssen. 

Die vollständige Pressemitteilung und die Statements finden Sie hier in der Pressemappe.

Folgende Materialien stellt die DPtV zur Unterstützung der Antragsstellung zur Verfügung:

- Patientenflyer

Antragsformulare und Materialien für Psychotherapeuten (für DPtV-Mitglieder)