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Therapie statt Psychopharmaka – Die Politik ist in der Pflicht
Psychotherapien wirken auch im hohen Lebensalter erfolgreich. Ging man früher davon aus, dass sich das wegen geringer Veränderbarkeit nicht mehr "lohne", weiß man es heute besser. Der Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV), Dipl.-Psych. Dieter Best sagte, dass rund ein Viertel der älteren Menschen unter psychischen Krankheitssymptome leidet, so steige beispielsweise die Suizidrate bei Männer im Alter ab 70 Jahren bis auf das Dreifache der Rate bei jüngeren Männern. Aber nur sehr wenige alte Menschen erhalten eine Psychotherapie. "Die Politik ist gefordert die angemessenen Rahmenbedingungen für eine ausreichende Versorgung zu schaffen. Daran mangelt es derzeit erheblich", äußerte Best heute in Berlin bei der Pressekonferenz anlässlich des DPtV-Symposiums "Psychotherapie in einer älter werdenden Gesellschaft."
"Als Berufsverband von Psychotherapeuten sehen wir es als wichtige Aufgabe an, über psychische Krankheiten im Alter und die Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären", sagte Best. Es fehle jedoch an Behandlungskapazitäten, verdeutlichte er mit Hinweis auf die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz. Besonders im ländlichen Raum sei die Versorgung dramatisch schlecht. Er hoffe, dass mit der jetzt geänderten Form der Bedarfsplanung weitere Therapieplätze geschaffen werden könnten. Allerdings müsse auch die Finanzierung neu geregelt werden. Lediglich eine Umverteilung innerhalb der Budgets würde zu Unfrieden innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen führen. Man wolle aber den anderen Fachgruppen nichts wegnehmen, sondern Ziel sei die ausreichende Versorgung der Patienten. "Wir sehen deshalb die Politik in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die zusätzlich notwendigen Behandlungsplätze auch zusätzlich finanziert werden".
Auf einen weiteren Missstand wies Dipl.-Psych. Hans-Jochen Weidhaas, stellvertretender Bundesvorsitzender DPtV, hin: Ältere Menschen und besonders ältere Frauen, erhalten weitaus mehr Psychopharmaka als jüngere Menschen mit vergleichbaren Krankheitsbildern. "Wir benötigen besondere Kompetenzen, um die Diagnosen richtig zu stellen. Was ist normale Alterserscheinung, was ist eine behandlungsbedürftige Erkrankung? Hierzu muss verstärkt geforscht werden, damit wir sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich zusammen mit allen dort arbeitenden Professionen unsere alten Menschen richtig versorgen können", formulierte Weidhaas. Noch sei das Wissen über die Wirksamkeit der Psychotherapie auch bei alten Menschen zu gering. " In einer älter werdenden Gesellschaft ist dies eine Herausforderung der wir uns aus fachlicher, beruflicher und sozialer Verantwortung stellen müssen".
Ältere Menschen haben oft andere psychische Störungen als junge. Darauf wies Dipl.-Psych. Barbara Lubisch, stellvertretende Bundesvorsitzende DPtV, hin. " Die Schwerpunkte der Probleme verschieben sich, es gibt kaum Essstörungen, keine burn-out-Syndrome, dafür Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen, somatoforme Störungen, Schmerzsyndrome. Themen in der Behandlung älterer Menschen sind insbesondere die Anpassung an die sich verändernde Umwelt, der Umgang mit Verlusten, die Nutzung von Ressourcen trotz zunehmender körperlicher Einschränkungen, die Bewältigung zwischenmenschlicher Konflikte, oft Generationenkonflikte. Oft ist die Aussöhnung mit der eigenen Geschichte wichtig, manchmal ist auch die Aufarbeitung von z.T. lange zurückliegenden Traumata notwendig, die gerade im Alter oft aufbrechen, weil die Kompensationsmöglichkeiten geringer werden", verdeutlichte Barbara Lubisch.
Sie bedauerte, dass die Richtlinien bisher weder am Krankenbett noch im Altersheim Psychotherapie ermöglichen. Sie begrüßte daher den Vorschlag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der die konsiliarische Einbeziehung von Psychotherapeuten in die Teamberatung vorsieht, wenn Heimbewohner an einer psychischen Erkrankung leiden oder wenn Angehörige psychotherapeutische Hilfe benötigen. "Besonders wichtig ist die Einbeziehung der Angehörigen, insbesondere auch die Unterstützung der pflegenden Angehörigen". Sie verwies auf die große Nachfrage nach der Broschüre "Entlastung für die Seele - ein Ratgeber für Pflegende Angehörige", die kürzlich von der DPtV zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Seniorenverbände (BAGSO) herausgegeben wurde und bereits 40 000 mal abgegeben wurde.
"Wir benötigen strukturelle Reformen der ambulanten Psychotherapie, die z.B. Psychotherapie im Seniorenheim möglich machen. Benötigt werden flexible Leistungsziffern, damit das Behandlungsspektrum den Erfordernissen der älteren Patienten angepasst werden kann. Die Psychotherapeuten sind dazu bereit - die Politik muss die Bedingungen dafür schaffen, " forderte Lubisch.