Wissensdatenbank

Klimaschutz und Psychotherapie

Thema

Gesundheitspolitik

Art

Infoblatt

Datum

07.06.2023

Die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesellschaft sind weitreichend. Die Herausforderungen gehen über ökologische Schäden durch die Erderwärmung hinaus und werden zu einer Zunahme körperlicher und psychischer Erkrankungen, sozialer Ungleichheit und lokaler sowie globaler Konflikte um knapper werdende Ressourcen wie Wasser und Lebensmittel führen. Allgemeine Fragen zum Thema Klimakrise werden auf der Webseite https://www.klimafakten.de/ beantwortet. Für weitergehende Informationen sind die Publikationen der Scientists for Future empfehlenswert (https://de.scientists4future.org/).

Bezüglich der psychischen Gesundheit wird von direkten und indirekten  Auswirkungen der Klimakrise gesprochen.Während Extremwetterereignisse direkt in Zusammenhang mit Posttraumatischer Belastungsstörung und Depression gebracht werden können, sind Hitze und Luftverschmutzung schädliche Umweltfaktoren, die indirekt die psychische Gesundheit belasten. Zudem sind Menschen mit psychischen Störungen wie Depression besonders gefährdet, aufgrund von Hitze zu sterben. Neben diesen äußeren Belastungsfaktoren mehren sich insbesondere bei jungen Menschen Emotionen von Angst und Trauer und Gefühle der Hilflosigkeit angesichts der Klimakrise („Klima-Angst“, „ökologische Trauer". Um also gesundheitlichen Schaden abzuwenden und die durch die Klimakrise verursachten psychischen Belastungen zu versorgen, kommt dem Berufsstand der Psychotherapeut*innen eine wichtige Rolle zu. Durch unsere besondere Fachlichkeit bestehen zahllose Möglichkeiten, sich hilfreich einzubringen, unmittelbar für unsere Patient*innen als auch in unserem sozialen und politischen Umfeld oder auch in bundesweitem Einsatz für den Klimaschutz.

Handlungsmöglichkeiten für Psychotherapeut*innen

Handlungsmöglichkeiten für Psychotherapeut*innen gibt es auf vier verschiedenen Ebenen. Die folgende Aufstellung wurde durch die Broschüre „Klimanotfall“ der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz inspiriert.

Klinisches Setting

  • Berücksichtigung der Belastung durch die Klimakrise in Anamnese und Diagnostik.
  • Fachlich adäquater Umgang mit in der Therapie aufkommenden starken Klimagefühlen wie Angst, Trauer, Hilflosigkeit, Ohnmacht oder Wut. Validierung der Gefährlichkeit der Krise und Vermeiden einer Pathologisierung der Gefühle. Achtsamkeit gegenüber der Möglichkeit, dass bestehende Klimagefühle vermieden, bzw. abgewehrt werden.
  • Reflektierter Umgang mit der eigenen Betroffenheit durch die Klimakrise, Zuhilfenahme von klimakrisenfokussierter Inter- und Supervision.
  • Einrichtung von Klimasprechstunden als Teil der psychosozialen Versorgung.
  • Umsetzung von nachhaltigen Lösungen für den Praxisbetrieb (zum Beispiel bei der Auswahl der Energieanbieter, Banken, Zulieferer etc.).

Prävention und Gesundheitsförderung

  • Installieren eines effektiven Hitzeschutzes in der Praxis, Aufklärung der Patient*innen zu Hitzeschutzmaßnahmen (ausreichend Abkühlung, ausreichend Flüssigkeitszufuhr).
  • Angebot von Gesprächskreisen zur emotionalen Verarbeitung der Klimakrise (analog von Trauergruppen) mit dem Ziel der Stärkung der allgemeinen Klimakrisenresilienz.
  • Etablierung von Strukturen der Notfallpsychotherapie, damit im Ernstfall psychologische Erste Hilfe oder Notfallpsychotherapie zum Einsatz kommen können.

Berufspolitisches Engagement

  • Auswirkungen der Klimakrise und relevante Aspekte der Klimapsychologie und -psychotherapie in die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Psychotherapeut*innen integrieren.
  • Durch die Mitarbeit in gesundheitspolitischen Gremien (Psychotherapeutenkammern, Kassenärztlichen Vereinigungen, kommunalen Ausschüssen) die Etablierung von Klimaschutzmaßnahmen in den Institutionen des Gesundheitswesens vorantreiben.
  • Aktive Kommunikation der gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen der Klimakrise an alle politischen Ebenen, insbesondere im Bereich der Gesundheitsversorgung.
  • Psychotherapeut*innen können in die Verwaltungsräte ihrer Versorgungswerke einbringen, nicht mehr in umweltschädliche Energieunternehmen zu investieren und im Sinne eines „Engagements“ sich dafür einzusetzen, dass Unternehmen mehr Verantwortung im Klimaschutz übernehmen.
  • Kommunikation der gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen der Klimakrise auch an die allgemeine Bevölkerung, im Sinne eines Public-Health-Ansatzes.

Allgemeinpolitisches Engagement

  • Mitwirkung in bestehenden Gruppen, die sich für ökologische Themen wie Artenschutz, eine nachhaltige Lebensweise und Klimaschutz einsetzen, bspw. leisten die Psychologists for Future hier eine wertvolle Arbeit.
  • Das Thema der ökologischen Krisen sowohl gegenüber den lokalen Medien, wie auch gegenüber politischen Amtsinhaber*innen ansprechen, durch Gesprächstermine oder Leser*innenbriefe.
  • Einbringen mit psychotherapeutischer Fachlichkeit in lokale politische Prozesse der Verkehrs- Ernährungs- oder Energiewende.

In der DPtV Klima AG arbeiten wir daran, das Thema der ökologischen Krisen in unseren Arbeitsalltag zu übersetzen und sinnvolle Maßnahmen einzuleiten. Informationen dazu finden Sie auf unserer Webseite. Gern können Sie uns mit Fragen und Anregungen kontaktieren: klima@dptv.de

Auch in berufspolitischen Gremien wie dem Gesprächskreis II, einem Zusammenschluss vieler psychotherapeutischer Berufs- und Fachverbände, sowie dem Deutschen Psychotherapeutentag haben wir bereits an weitreichenden Resolutionen und Beschlüssen mitgewirkt, um den Kolleg*innen in ihrem Engagement für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen den Rücken zu stärken.

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Clayton, Susan (2021): Climate Change and Mental Health. In: Current Environmental Health Reports (2021) 8:1–6

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Stivanello, E.; Chierzi, F.; Marzaroli, P.; Zanella, S.; Miglio, R.; Biavati, P.; Perlangeli, V.; Berardi, D.; Fioritti, A.; Pandolfi, P. Mental Health Disorders and Summer Temperature-Related Mortality: A Case Crossover Study. Int. J. Environ. Res. Public Health 2020

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Hickman, Caroline et al. (2021): Climate anxiety in children and young people and their beliefs about government responses to climate change: a global survey: In: The Lancet, Volume 5, ISSUE 12, e863-e873

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